Einzelne Musikstile und Instrumente
Die erzählende Musik der Ritter am Beispiel Biwa
Wie in der europäischen mittelalterlichen Zeit gab es in Japan auch erzählende Wandermusiker. Am berühmtesten waren die blinden Biwaspieler, welche ein grosses, im frühen 13. Jh. verfasstes Epos, dem Heike no monogatari singend dem Publikum vortrugen. Diese Erzähler mit Begleitung einer japanischen Lautenform entwickelten einerseits eine sehr dramatische rezitatorische Singweise und, um das erzählte Geschehen in Zwischenspielen und Begleitungen zu unterstützen, ein bemerkenswerter Reichtum an instrumentalen Fertigkeiten. Diese Tradition wird bis heute von wenigen Meistern und Meisterinnen weitergegeben..
Das schon erwähnte Instrument Shamisen, die dreisaitige langhalsige, bundlose und banjoähnliche Langhalslaute möchte ich in diesem Zusammenhang als weiteres Begleitinstrument zum Gesang auch erwähnen, ohne detaillierter darauf eingehen zu können. Sowohl im Kabuki, der populären Theaterform in Japan als auch im Puppentheater Bunraku wird das Instrument einzeln oder in Ensembles verwendet. Die Rezitationen eines Bunrakuspielers, der einerseits die auf der Bühne gespielten Szenen erzählt und auch den Darstellern seine Stimme leiht, gehören zu meinen eindrücklichsten Erlebnissen musikalischer Rezitation, die ich gehört habe. Auch ohne zu verstehen, was erzählt wurde, wird der Hörer in die emotionellen und klanglich faszinierenden Schilderungen hineingezogen und davon berührt.
Das Instrument
Das Biwa, eine Laute mit einem, aus einem Stück Holz geschnitzten, Korpus und mit einer dünneren, mit kleinen, oft mondförmigen Schallöchern versehenen Decke, existiert in unterschiedlichen Typen, Gemeinsam ist allen die Vierzahl der Saiten und die verhältnismässig hohen Bünde, welche eine hohe Flexibilität der Klanggestaltung ermöglichen. Gespielt wird das Instrument mit einem sehr grossen dreieckigen Plektrum (Bachi) aus Elfenbein, Horn, Holz oder Kunststoff. So werden Spielmöglichkeiten zwischen kraftvollen Schlägen und dramatischen Effekten bis zu feinsten Klangnuancen möglich. Die Typen der verschiedenen Schulen unterscheiden sich nach Grösse, Form, Art des Plektrums und Stimmung.
Hier seien noch einige Anmerkungen zur Behandlung der Stimme in der japanischen Musik angefügt. Wie in den Beispielen gehört, unterscheidet sich die japanische Singstimme sehr von unserer bellcanto-Stimme. Obwohl die japanische Sprache vom Klang her dem Italienischen nahe ist (offene Vokale und vokalreich), werden diese Vokale komplett anders ausgeführt und gefärbt. Wenn es der Ausdruck erfordert, werden die Laute gepresst, verschluckt und gedrückt und in den Registern verändert, die Klänge kommen nach unseren Idealen nicht richtig zum klingen. Die Melodie selbst wird häufig angehalten und damit angespannt, verläuft in gewagten Sprüngen; es entsteht kein Fluss, keine Strömen. Ich werde in den allgemeinen Ausführungen über die japanische Musik auf das Klangideal in der japanischen Musik zurückkommen.