Ost-westliche Begegnung
Die japanische Zenflöte Shakuhachi
Interaktionen zwischen östlicher und westlicher Praxis und Auffassung von Flötenmusik
Einleitung
Musik: Jôshi
Das eben gehörte Stück hat Sie, geschätzte Anwesende, in die Musik der japanischen Bambusflöte Shakuhachi eingeführt und Ihnen einen ersten Eindruck ermöglicht. Wie im Titel des Referats erwähnt, möchte ich in dieser Stunde einige Aspekte der Begegnungen zwischen den beiden Flötenwelten in das Zentrum stellen. In diesem Kontext lege ich den Schwerpunkt der Betrachtung auf die Shakuhachi und ihren Kontext, da die westliche Flöte Ihnen allen sicher viel vertrauter ist.
Die Begegnung und Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur macht immer auch die eigene Herkunft bewusst, die sich nicht leugnen oder verneinen lässt und welche die Grundlage bildet, auf der aufbauend an das Fremde herangegangen wird. In meinem Studium und meiner Praxis in Unterricht, Konzerten und Kompositionen hat sich eine Sicht- und Hörperspektive ausgebildet, mit der ich an die Shakuhachimusik herangehe. Und anderseits hat sich die Sicht auf die westliche Musik durch die Begegnungen und Studien der japanischen Musik verändert. Es geschieht ein gegenseitiges Interagieren, sich Durchdringen und Beeinflussen, welches immer weiter geht und welches die Voraussetzung für die folgenden Ausführungen bildet. Diese basieren somit weitgehend auf meinen subjektiven Erfahrungen und Gedanken und auf den mir zur Verfügung stehenden Texten und erfüllen damit nicht die Kriterien musikwissenschaftlicher Forschung.
Das Referat ist in verschiedene thematische Abschnitte gegliedert, die ich gerne mit musikalischen Intermezzi rhythmisiere:
- kurze Einführung in die Shakuhachi und Ihren Kontext; das Instrument, die Geschichte der Musik
- einige spezifische Aspekte der Shakuhachi und einen Blick aus der westlichen persönlichen Perspektive
a. Der Unterricht
b. Die Musik: Notation, Ästhetik, Rhythmik
c. Musik und Meditation - Abschliessende Gedanken
1. Kurze Einführung in die Shakuhachi und Ihren Kontext
a. Zum Instrument Shakuhachi
Der Name Shakuhachi bezeichnet die Länge des Instrumentes. (Shaku = Fuss, Hachi= acht, also; "1,8 Fuss" = 54 cm). So werden andere Instrumente aus der gleichen Familie „Shakuhachi“ mit andern Längenangaben bezeichnet (Ni shaku, 2 Fuss; Nishaku-Yon, 2,4 Fuss).
Das Instrument aus der Familie der Kerbflöten wird über eine Anblaskante zum Klingen gebracht. Die verschiedenen Tonhöhen werden durch Öffnen und Decken von fünf verschiedenen Löchern, durch verschiedene Kopfhaltungen (merikari) und durch unterschiedlichen Blasdruck erzeugt. Als Material wird in der Regel Bambus verwendet. Aus preislichen und praktischen Gründen werden auch Instrumente aus Holz, "Sperrbambus" und auch aus Plastik und Plexiglas gefertigt.
Das Bauen des Instrumentes ist ein hochkomplexer und handwerklich sehr aufwendiger Prozess. Zuerst muss Bambus in der richtigen Länge, Dicke und mit schönen Proportionen gefunden werden. Danach wird er getrocknet, mehrere Jahre gelagert und danach erst in vielen Schritten bearbeitet. Das Instrument wird nach der groben Fertigung fein von Hand intoniert, damit die Stimmung und der Klang optimal zur Geltung kommen. Mit dem Füllmaterial Urushi wird das Rohr ausgestrichen und schlussendlich lackiert. Grosse Sorgfalt verwendet der Bauer auf das Einarbeiten der Anblaskante aus Horn. Da das Instrument als Werkzeug des Zen betrachtet wird (Hôki) spielt neben dem Klang auch die äussere Ästhetik eine bedeutende Rolle: Der Abstand der Nodien, der Wachstum und die Zeichnung des Bambus, die richtige Länge und Dicke und die schöne Krümmung machen neben dem ausgewogenen typischen Klang das perfekte Instrument aus.
Die Einfachheit des Instrumentes und die ganz spezifische Spielweise bewirken, dass jeder Ton seinen eigenen typischen Klang hat. Diese Verschiedenheit der Töne ist für die Shakuhachi grundlegend und hat eine Musik entwickelt, welche nur auf diesem speziellen Instrument angemessen interpretiert werden kann und welche mit einer spezifischen Notation, welche auch nur für die Shakuhachi gültig ist, festgehalten wird. Dies hat, nebenbei gesagt, dass es in den traditionellen Stücken für drei Instrumente keine Partitur gibt, da jedes Instrument mit seiner eigenen, spezifsichen Notation aufgezeichnet wird.
b. Zur Geschichte der Shakuhachi
Das Instrument kam, wie vieles, was sich in Japan etabliert und verfeinert hat, ursprünglich aus China, wo es vermutlich schon in Verbindung zum Buddhismus gebraucht wurde (Tang-Zeit 7.-9 Jahrhundert).
In Japan tauchen die ersten Längsflöten aus Jade, Stein, Elfenbein und Bambus, von denen noch spielbare Instrumente erhalten sind, im Hoforchester Gagaku im 8.Jh auf. Über die Musik, welche gespielt wurde, scheint wenig bekannt zu sein.
Zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert wird über die Verwendung des Instrumentes als Hofinstrument berichtet. Die Shakuhachi war daher nur den Hofleuten und den hohen buddhistischen Priestern zugänglich.
Im Mittelalter (ab dem 13. Jahrhundert) wurde das Instrument von den herumwandernden Bettelmönchen Komosô (Strohmattenmönche)gespielt. Über diese Musik ist wenig bekannt. Der Orden führte seinen Ursprung auf den chinesischen Zen-Mönch Fuke (9.Jh.) zurück, der in der Geschichte und den Legenden um die Shakuhachi eine wichtige Rolle spielt.
Nach den Bürgerkriegen und grossen sozialen Umwandlungen im 16. Jh. wandelte sich der Orden der Bettelmönche zu einem Orden der „Mönche der Leer und des Nichts“ (Komusô) und wurden zu einem Unterorden der Rinzaizenschule. Darin gründet die Verbindung zum Zen. Die Musik wurde vermutlich von Meister auf den Schüler weitergegeben und erst in späterer Zeit, in der Mitte des 18. Jahrhunderts , finden sich die ersten Notationen der Musik. (Kurosawa Kinko).
Ab dem 19. Jh. wird das Instrument auch als weltliches Musikinstrument in Kammermusik mit der Wölbbrettzither Koto und der Saiteninstrument Shamisen verwendet und erfährt in den letzten Jahrzehnten vermehrte Beachtung in Neuer Musik und Jazz. eines der bekannstesten Werke ist Novembersteps von Tôru Takemitsu für shakuhachi, Biwa und Orchester (1967).
2. Einige spezifische Aspekte der Shakuhachi
a. Der Unterricht
Wie viele japanische Künste wird auch die Musik als Weg aufgefasst. Es geht im Erlernen einer Kunst nicht nur um das Ziel, die Fertigkeiten zu erlangen, diese Ausüben zu können, sondern auch um eine moralische und ethische Schulung des Menschen. Die Auswirkungen, die dieses Grundhaltung auf die Lehrmethoden und die Einstellungen der lehrenden und lernenden Personen haben sind vielfach und können in diesem Zusammenhang nur angedeutet werden.
Einen wichtiger Einfluss auf die traditionelle Art des Lehrens, wie sie beispielsweise auch in den Kampfsportarten, dem Ikebana, der Kalligrafie praktiziert wird, hatten die Ansichten von Zen-Sekten, Unterrichten heisse, "mit dem Herzen dem Herzen vermitteln" und Lernen bedeute "Erkenntnis aus eigener Erfahrung" zu erlangen. Ein solcher "Weg", lässt sich nicht durch Worte lehren. Sowohl von religiösen Lehren als auch von teilweise geheimen Lehren der Kunstwege wird gesagt, dass sie "schwer aussprechbare Dinge" seien. Kunstwege werden demnach nicht gelehrt, sondern erfahren (satoru). Das Erlernen einer Kunst beruht nicht auf "der Kraft eines anderen" (tariki) sondern auf "eigener Kraft" (jiriki), So werden bis heute die meisten Kunstwege ohne Erläuterungen, ohne Noten und Lehrbücher, direkt im Kontakt von Meisterin und Schülerin vermittelt. Der Schüler soll selbst das Wesentliche des Kunstweges erfassen, erfahren können und sich darin üben. Von Anfang an wird darauf Wert gelegt, dass der Schüler nicht nur die Sache inhaltlich richtig lernt, sondern auch dass im richtigen persönlichen Geiste und in der korrekten Form richtig lernt. Der Lehrer, die Meisterin hat somit eine weit gefasste Rolle. Sie begleitet die lernende Person als Vorbild auf dem künstlerischen, persönlichen und sozial- kulturellen Entwicklungsweg.
Die Kunst, die Musik wird nicht nur vom Lehrer gelehrt: Die Natur und ihre Schönheit, der Himmel und die Erde sind Lehrmeister. Auch alle Tätigkeiten, von Gartenarbeit bis Toilettenputzen, sind Übungen, welche den Lernenden in seinen Erfahrungen weiter bringen. Es gab sogar die Ansicht, dass anfänglich der Schüler gar nicht auf dem Instrument Unterricht erhalten solle, sondern in mühsame Arbeit verrichten zu lassen, damit sein Geist geschult werde. Auch ist die Ansicht verbreitet, den Schüler zu plagen, ihn sich anspannen zu lassen um so sein inneres Auge sehend werden zu lassen. So finden sich Schüler, welche mit ihrem Meister als Uchidechi wohnen und leben und viele tägliche organisatorische und administrative Aufgaben übernehmen und damit in die Welt des Meisters hineinwachsen.
Der Unterricht basiert hauptsächlich auf dem gemeinsamen Spielen der traditionellen Stücke. Wichtiger als Worterklärungen ist das Hören und Nachahmen des Lehrers. Die musikalischen Feinheiten werden so auf die direkteste Weise vermittelt. Erst wenn der Schüler hört, wird er spielen können. Nicht der äussere Fortschritt ist von Bedeutung, wie viele Stücke in welcher Zeit gespielt werden können, sondern die stetige Arbeit mit dem Instrument. Oder, wie in einem Text von Hisamatsu Fûyô geschrieben ca 1930, gesagt wird: " Nicht die Anzahl der gelernten Stücke macht einen guten Spieler, sondern wie er ein Stück spielt". Das Erlernen der Shakuhachi erfordert Geduld, ist aber frei von äusserem Zwang. "Das Spielen der Shakuhachi verfolgt keinen Zweck, sondern man spielt nur, weil man eine Vorliebe dafür gefasst hat."
Eine Unterrichtsstunde verläuft in der Regel immer gleich: Meister und Schüler sitzen sich kniend gegenüber. Mit Worten erklärt wird nicht viel, gespielt wird immer gemeinsam. Das Lernen erfolgt durch offenes Zusehen, Zuhören und durch das Imitieren des Vorgespielten. Ein harter Weg, da am Anfang kaum ein Ton auf diesem Rohr zu erzeugen ist! Die Stücke sind mit japanischen Silbenschriftzeichen notiert, die nur andeutungsweise wiedergeben, was erklingt. Diese Notation ist somit in erster Linie Erinnerungshilfe des Gelernten und nicht eine exakt notierte Spielanweisung. Das Bestreben des Schülers besteht im sorgfältigen und möglichst genauen Nachspielen des Spielens des Meisters. Das Gehör des Schülers wird dadurch immer feiner und differenzierter, die Feinheiten des Spiels werden ihm immer deutlicher erkennbar. Dieses Imitieren des Lehrers mag für uns individualistisch denkenden Europäer sehr unkreativ und unfrei erscheinen, hat aber unverkennbare Vorteile: Der Schüler, welcher am Anfang steht, lernt zuerst durch das Nachspielen die in der Tradition stehende Art und Weise des Shakuhachispiels. Er imitiert vielleicht nur und erhört und erfühlt die musikalischen Zusammenhänge noch nicht. Im Wiederholen der Stücke, im vertraut werden mit dem für eine Schule charakteristischen Stil offenbart sich mit der Zeit eine Art Sinnzusammenhang der einzelnen Töne. Diese Art des Lernens ist vergleichbar mit dem kindlichen Erlernen einer Sprache, wo sich die Lautfolgen auch erst allmählich mit Bedeutung füllen. Die Tradition, geschaffen durch Generationen von Spielern, wird so direkt und ohne viele Erklärungen und theoretischen Erläuterungen durch praktisches Tun vermittelt. Der Schüler nimmt nur soviel auf, wie er in seinem momentanen Ausbildungsstand aufzunehmen bereit ist; er wird nicht mit Dingen beschäftigt, die er noch nicht nachvollziehen kann. Der Meister spielt in jeder Phase des Unterrichts so sorgfältig und differenziert wie möglich, ob er einen Anfänger oder einen Meisterschüler unterrichtet. So werden viele feine Details schon sehr früh aufgenommen, ohne dass diese bewusst wahrgenommen oder reproduziert werden können. Eine überlieferte Aussage, wieder von Hisamatsu Fuyo, mag dies verdeutlichen:
"Der Anfänger muss zunächst die Technik des Shakuhachispiels üben. Wenn er die Technik beherrscht, muss er in den Geist der Musik eindringen. Die Meisterschaft liegt nicht in der Beherrschung der Technik sondern im Eindringen in den Geist der Musik. Das Eindringen in den Geist der Musik aber liegt innerhalb der Beherrschung der Technik. Wer die Technik nicht beherrscht, wird in den Geist der Musik nicht eindringen. Wer sich als Anfänger um den Geist der Musik kümmert, wird sein Leben lang ein Theoretiker des Bambuswegs sein. Darin besteht kein Zweifel."1
Das Bestreben besteht darin, möglichst den Vorgaben des Lehrers zu folgen. Der Schüler hat sich seinen Lehrer ausgesucht und hat ihm seine Ausbildung anvertraut. Was im Westen als öfters als leeres imitieren verstanden wurde, hat seinen tieferen Sinn, wie vorher erläutert wurde. Die Individualität, die den Schüler vom Lehrer unterscheidet, ist nicht vordergründig und nicht als Ziel angestrebt, wird eher implizit mitentwickelt. So ist die Aufmerksamkeit mehr auf das Übernehmen der Tradition gerichtet und weniger auf die Originalität des Spielers. Die Besonderheit jedes einzelnen Spielers bildet sich von selbst, natürlich wachsend, aus. Dazu aus dem gleichen „Monolog über Shakuhachi:
" Es gibt viele, die, wenn sie die Stücke lernen, nur daran denken, die äussere Form auswendig zu lernen. Dies ist im Höchsten Grade ein Missverständnis! Meri-Kari (Anm.: eine besondere Art der Tonhöhenveränderung durch Kopfbewegung) und die richtige Zeitstruktur, dies ist die Essenz, und jemand, der in dieser Erkenntnis spielt, nachdem er die äussere Form gelernt hat, der ist ein guter Spieler. Ein Anfänger oder ein Spieler mittleren Grades ist dazu unter keinen Umständen in der Lage. Für diese ist das wichtigste, dass sie in allem den Lehrer nachahmen. Deswegen ist die Wahl des Lehrers von grundlegender Bedeutung. Man darf dabei nicht unvorsichtig sein!
In einem anderen Lehrgespräch2 lautet die Antwort auf die Frage, ob von der Notation (von der Überlieferung) abgewichen werden kann:
"Ich weiche nicht ab, aber mein Spielen ist sehr verschieden von dem anderer. Zum Beispiel: Du bist ein Mensch und ich bin ein Mensch. Dein Körper, deine Haare, deine inneren Organe sind die wie die anderer Menschen und doch bist du sehr verschieden von anderen. Also: denke selbst nach über den Unterschied zwischen Abweichen von Notation und nicht Abweichen!"
Um es in einer anderen Form zu formulieren: Ein guter Spieler, eine gute Spielerin geht durch die Tradition durch, um vielleicht wieder freier davon zu werden. Es ist wichtig, diese beiden Formen der Freiheit nicht zu verwechseln, beide Arten sind nicht-konventionell, die eine aber prä-konventionell, die andere trans-konventionell.
Was bedeutet dies nun für den Unterricht im Westen?
Es kann eine grosse Erleichterung für die Schüler sein, zu wissen, dass der Unterricht auf eine langsame Entwicklung angelegt ist und man sich damit auf einen langen Weg begibt. Die Haltung von Lehrer und Schüler, diese Langsamkeit anzunehmen und diesem komplexen Wachstumsprozess Raum zu geben, reduziert den Druck der Leistung. (So sind immer wieder klassisch ausgebildete Musiker erleichtert, dass sie sich die nötige Entwicklungszeit nehmen können). Die Erzeugung und Gestaltung des Klanges ist in der Regel schwierig und bringt manche Frustrationen mit sich. Die zentrale Übung des „Spielens des einen Tones“ ermöglicht der lernenden Person, sich lange und intensiv mit den Grundlagen des Klanges zu beschäftigen. Die Übung wurde in meinem Gruppenunterricht bei jedem Treffen über die Dauer einer Stunde praktiziert. Diese Tonübung, wie wir sie als Bläser alle kennen, wird durch die Reduktion auf einen Ton und die Ausdehnung auf eine Dauer auf eine längere Zeit zu einer intensiven Konzentrations-Atem- und Ansatzmeditation. Unterstützt wird die konzentrative Wirkung durch das Einnehmen einer Körperhaltung, dem Fersensitz Seiza, die immer gleich bleibt und dadurch auch eine ritualisierte Verankerung des Gelernten ermöglicht.
Durch das gemeinsame Spielen begegnet der Schüler schon von Anfang an der Musik; er spielt mit und nicht vor. Erst in einer späten Phase, wenn der Schüler die Musik sehr gut erfasst hat und sicher ist spielt der Schüler alleine. Das Mitspielen von Anfang an hat meiner Ansicht nach viele sinnvolle und hilfreiche Wirkungen.
Es klingt von Anfang an schon nach Musik, auch wenn der eigene Anteil daran noch bescheiden ist.
Die Musik wird in ihrer Gesamtheit wahrgenommen und wird als Gesamtheit allmählich erinnert. Am Anfang ist die Wahrnehmung und daher die Erinnerung noch wenig differenziert, prägt sich aber mit der Zeit immer mehr aus. Die Erläuterungen der Lehrperson werden auf das Nötigste beschränkt. Der Schüler wird mehr auf das feine Zuhören und Zuschauen hingewiesen als mit verbalisierten Erläuterungen. Das kann für sehr kognitiv orientierten und wissensbegierigen Schüler unbefriedigend sein, da sie nie alle Erklärungen für alles das erhalten können, was sie wahrnehmen. Die Komplexität der Musik ist meines Erachtens mehr als Ganzes zu erfassen als in den Details zu erklären. Das ist nicht beschränkt auf die japanische Musik, sondern ist eine prinzipielle Tatsache musikalischer Interpretation.
Früher oder später kommen für die meisten ernsthaft Lernenden die kritischen Phasen. Diese sind bei der Shakuhachi sehr deutlich: Der lange erarbeitete Ton klingt nicht mehr, das Üben wird körperlich anstrengend, die Konzertration fällt schwer, die anfängliche Neugierde und Begeisterung reduziert sich. Phänomene, die uns allen bekannt sind. Bei der Shakuhachi kann dies noch verstärkt auftreten, da das Instrument schwierig zu spielen ist und der übenden Person dadurch nicht entgegen kommt. Es kann dann gar nichts mehr gehen, Verkrampfungen stellen sich ein, Frustrationen, vielleicht sogar Resignation. Viel Schüler merken in dieser Phase, dass das Instrument Ihre Verfassung „unbarmherzig“ spiegelt. Das kann sich körperlich durch den Atem, den Ansatz oder die allgemeine Körperhaltung zeigen, oder auf der psychischen Ebene durch Notwendigkeit einer Veränderung der eigenen Vorstellungen, Erwartungen und Konzepten und durch starke Gefühle. Meiner Erfahrung nach kommen diese Krisen bei der Shakuhachi deutlicher zum Ausdruck. Die Gründe dazu können vielseitig sein. Bewusstere Schüler, schwieriges Instrument, befremdende Musik, kultureller und historischer Kontext....
Der Unterricht in der Shakuhachi wird, neben der musikalischen Schulung, von einigen Lehrern und Lehrerinnen als geistige und Schulung und Meditationspraxis verstanden. Diese Auffassung ist die Nähe zum Zen angelegt, welches viele Künste und Praktiken beeinflusst hat und diese als eigentliche Lebensschulung versteht. In den Unterricht können diese Aspekte einfliessen, wie auch beim Unterrciht in anderen Instrumenten, es gibt aber auch viele Lehrer, die dieser Seite nicht explizit im Unterricht Ausdruck verleihen.
Musik: Ejigo-Reibo (Ausschnitt)
b. Die Musik
Die Musik der Shakuhachi kann grob in drei Arten aufgeteilt werden:
- Die traditionelle Musik, welche im religiösen Kontext praktiziert wird (Honkyoku)
- Die traditionelle Musik im kammermusikalischen Kontext (San-kyoku, Gai-kyoku, Gagaku)
- Die ab dem 19.Jh von westlicher Musik beeinflusste Musik (Neue Musik, Jazz ua)
Ich beschränke mich in diesen Ausführungen auf die Hon-kyoku, die zentralen, inneren Stücke, in Ihrer Besonderheit.
Die Musik der Shakuhachi Honkyoku kann vereinfachend als extrem verlangsamte Melodien aufgefasst werden. Durch die Verlangsamung werden die Töne und die Zeit zwischen den Tönen länger. Diese Langsamkeit schafft Raum für eine hohe Differenzierung des Tonverlaufs und der Tonverbindung; der Ton an sich und das "Zwischen den Tönen" erlangt erhöhte Bedeutung und sorgfältig gepflegt. Die Melodien sind recht einfach, die darin sich äussernde Musik jedoch hoch komplex. Der Empfindung für den richtigen Klang, den richtigen Verlauf, das richtige Timing, die richtige Verbindung wird hohen Wert zugesprochen.
Was bedeutet nun in diesem Zusammenhang "richtig"? Einerseits wird die Musik von Lehrer zum Schüler traditionell verbindlich vermittelt (stilrichtig), anderseits hat die Musik eine nur erfahrbare Stimmigkeit. Die Empfindung für das „Richtige“ wird durch die jahrelange Übung geschult und entwickelt sich in einem inneren subjektiven Prozess im Schüler, welcher durch den Lehrer begleitet wird. Die Komplexität dieses Richtigen überfordert eine objektive Beschreibung, obwohl diese durchaus auch ihren Raum hat, wie in der richtigen Intonation, Dynamik Rhythmik. Das richtige Spielen eines Stückes, der richtige Ausdruck einer Phrase wird von japanischen Lehrern gerne in Metaphern beschrieben: „Wie Wasser, welches die verschiedenen Stufen hinunterfällt, wie der Ruf der Hirsche, wie Nebel,....“.
Innerhalb der Tradition gibt es verschiedene Schulen, die ihre eigenen Versionen der überlieferten Stücke pflegen und welche meist auf herausragende Persönlichkeiten zurückgehen. Diese Schulen, die sogenannten Ryu, unterscheiden sich in verschiedenen Punkten von einander: Die Art des Spiels, die Notation, der Aufbau der Organisation, die Verbindung, die Auswahl der Stücke und vieles mehr.
Die Musik ist in einer eigenen Griffnotation festgehalten, die verschiedene Spielinformationen enthält. Der wesentliche Teil der Musik wird direkt, vom Lehrer zum Schüler weitergegeben und ist nicht in der Notation festgehalten, was an die frühen westlichen Notationsformen erinnert.
Die Noten werden, wie alle japanischen Texte, von oben nach unten und von rechts nach links gelesen. Aussen rechts ist der Titel des Stückes und danach einige Informationen notiert. In der zweiten Zeile sind einzelne Symbole zu erkennen, welche die Tonhöhen mit japanischen Sylbenschriftzeichen (Hiragana) bezeichnen. Dazwischen deuten die senkrechten Linie den Tonverlauf mit Länge, Lautstärke und Tonhöhenverlauf an. Kleine Symbole neben den Hauptnoten informieren über die Oktavlage, die Kopfhaltung, über besondere Griffvarianten und über ungefähre Längen und rhythmische Zuordnung.
Um zu verdeutlichen, wie die Melodie in einer vereinfachten reduzierten Form klingt, spiele ich nur die Hauptnoten in einem rascheren Tempo:
Beispiel der ersten 6 Zeilen
Durch die extreme Verlangsamung werden die Töne voneinander gezogen und der schon erwähnte Raum entsteht, in dem der Tonverlauf gestaltet wird.
Die Rhythmik hat dadurch kaum Bezug zu einem regelmässigen metrischen Puls. Sie lässt sich eher erfassen als Spannungsrhythmik. Was damit gemeint ist, lässt sich am Bild von japanischen Trommelspielern am ehesten erläutern.
An einem Matsuri, einem traditionellen Fest in Takayama konnte ich folgende Szene miterleben: Eine riesige Trommel eine O-Taiko, von mehreren Dutzend Männern auf einer flossartigen Plattform durch die Strassen getragen, wurde von zwei, in höchster Konzentration rittlings auf der Trommel sitzenden Männern, welche Rücken an Rücken aneinander festgebunden waren, in unendlich langsamen, aber äusserst spannungsvollen Puls geschlagen. Der langsame Schlag dieser O-Daiko durchdröhnte durch die ganze dörfliche Nacht! Das Ausholen zum Schlag, welches Minuten dauerte, machte die Spannung des Zwischenraumes sehr deutlich. Der Klang wurde wie die Erlösung dieser Spannung erlebt.
Diese Spannung zwischen den Tönen, sowohl in der Stille, als auch in den Klangverläufen. ist eine der charakteristischen Eigenschaften japanischer Musik, welche auch in der Nô-Musik grosse Bedeutung hat. (in der Theorie als „Ma“ bezeichnet). Obwohl sich der Verlauf der Spannung verstehend und objektiv beschreiben lässt, ist das Ausführen dieser Rhythmik mehr eine Sache des subjektiven Gefühls als des Verstandes; ein Beispiel des Lehrens „mit dem Herzen“.
Die rhythmische Spannung wird noch durch die Spannung der Töne zueinander erhöht, In der Musik der Honkyoku gibt es auf der einen Seite die so genannten „Karitöne“ Haupttöne und anderseits die „Meritöne“ Nebentöne.
Die Karitöne werden mit normaler Kopfhaltung gespielt, die Öffnungen der Löcher sind immer ganz zu oder ganz offen, und die Klangfarbe ist offen, direkt und gegen aussen gerichtet.
Beispiel spielen
Die Meritöne werden mit erniedrigter Kopfhaltung gespielt, die Löcher sind teilweise gedeckt und die Klangfarbe ist verhaltener, stumpfer, direkter und innerlicher:
Beispiel spielen
Der Verlauf, welcher zwischen Meri- und Karitönen wechselt, erzeugt eine melodische Spannung, die zur rhythmischen Spannung dazu kommt.
Beispiel spielen: Anfang Kyorei
Die Auffassung von unterschiedlichen Bedeutungen von Tönen ermöglich durch verschiedenen Spielweisen eine hohe klangliche Vielfalt. Vereinfachend gesagt werden Dissonanzen deutlich anders gespielt als Konsonanzen, Hauptnoten deutlich anders anders als Nebennoten.
Der notierte Einzelton als musikalisches Ereignis hat schon viele Elemente, welche durch den Stil, das Musikstück und die Schule vorgegebenen wird: Eine bestimmte Art, wie der Ton anfängt (Atari), wie er sich entwickelt, (Lautstärke, Klangfarbe, Vibrato) und wie er abschliesst.
Beispiel tsu re in verschiedenen Varianten
So lässt sich nach wenigen Tönen eines Musikstückes erkennen, aus welchem Stil und welcher Schule ein Spieler kommt.
Die Langsamkeit und die Bedeutung des Zwischenraumes, der „Zwischenzeit“ fordern eine hohe Aufmerksamkeit und bilden zusammen mit der Basis der Musik auf dem Atem die Verbindung zur meditativen Praxis des Shakuhachispiels.
Nicht zuletzt ist das Klangideal ein anderes als das der westlichen Flöte. Der Klang ist nahe am Atem und am typischen Bambusklang. Nebengeräusche, heftige Atemstösse wie auch feine Nebenklänge, eine Dynamik von grosser Spannweite sind einige Elemente, die der Shakuhachimusik eigen sind. Viele Hörerinnen und Hörer assoziieren eine grosse Nähe zur Natur, zu Landschaften und Weite.
Aus meiner Perspektive ermöglicht diese Musik eine grosse Sorgfalt im Umgang mit den kleinsten Details, welche durch die Tradition und die diese Tradition vermittelnden Lehrer weiter gegeben wird. Eine Herausforderung, welche Interpreten von historischer Musik oder von bestimmten Stilrichtungen genau so gut kennen. Die eigene Kreativität ist im Hintergrund und wird zurückgenommen zugunsten einer Unterordnung unter die Tradition. Meiner Auffassung nach ermöglicht diese Strenge eine hohe Differenzierungsfähigkeit, die sich über Generationen von Spielern evolutionär entwickelt hat. und die sich in der tradierten Musik ausdrückt.
Die Beschäftigung mit der japanischen Musik und ihrer Ästhetik hat durch die erhöhte Wahrnehmung von Spannungen und Kräften zwischen Tönen und in Pausen, durch die Reichhaltigkeit von klanglichen Möglichkeiten bis an die Grenzen des Unhörbaren und des Geräuschs und durch die Langsamkeit mit Ihren vielen Fassetten das Ohr und das Spiel sicher in vielen Weisen beeinflusst, die im einzelnen gar nicht aufzuzählen sind. Damit verbunden ist auch ein Wertewandel, so dass immer wieder die Frage gestellt werden kann, was eigentliche das Wesentliche in der Musik sei. Darauf eine Antwort zu finden, ist für mich eine lebenslange Suche.
c. Musik und Meditation
Im Umfeld der Shakuhachi wird dem Aspekt der Verbindung zwischen der Musik und der Meditation vielfach Beachtung geschenkt. Die historische Entwicklung, die Nähe zum Zen-Buddhismus und die Auffassung des Shakuhachübens als Weg des Zen, das so genannte suizen oder auch Suichiku-Zen, das "Zen des Blasens" resp. "Zen des Bambusblasens" bringen Aspekte der Meditation in den Vordergrund, Gerne möchte dazu im Folgenden einige Gedanken formulieren.
Atem-Klang Stille
In allen Traditionen der Meditation spielt der Atem eine zentrale Rolle. Der Atem bietet dem Übenden die Möglichkeit, seinen Geist auf ETWAS zu konzentrieren, um den Geist leer werden zu lassen und zu versuchen, im Sein zu ruhen.
Die schon erwähnten Komusô-Mönche ("Priester der Leere und des Nichts"), die mit einem über das Gesicht hinunter reichenden Bambushut, einer Matte und der Shakuhachi ausgestattet unterwegs waren sollen das Shakuhachispiel als ihre spezifische Praxis ausgeübt haben. Die Musik ist nicht Ziel der Übung, sondern dient der Schulung des Geistes durch das Spielen und Praktizieren der Stücke.
Einige bis heute gespielte Stücke gehen der Legende nach bis auf die Gründungszeit dieser Sekte zurück.
Leer werden, um dem Klang ein Raum zu sein
Das Lernen einer Tradition kann den Schüler dazu bringen, sich von eigenen Vorstellungen zu lösen und sich zuerst einmal auf den Weg zu begeben, welcher die Tradition, verkörpert durch den Lehrer, vorgibt. Im Zentrum steht nicht der persönliche individuelle Ausdruck sondern das Unterordnen unter strenge und sehr genaue Vorgaben. Neben dem, dass die Tradition dadurch weiter gegeben wird und am Leben bleibt, hat dies auch zur Folge, dass der Lernende sich immer wieder konfrontiert fühlt mit den schwer zu erfüllenden Vorgaben. Aus japanischer Sicht ermöglicht das Einhalten und Üben der formalen Strukturen das allmähliche Erfassen der Essenz in der Musik. Eine Einordnung in die Schule ist bedeutend und weniger der individuelle Weg. Wir kenne diesen Anspruch auch, wenn wir uns im Dienste der Musik beispielsweise um eine stilgerechte Interpretation bemühen.
Ein erstes Paradoxon ergibt sich daraus: Keine zwei Spieler spielen das Stück gleich. Sie spielen das gleiche Stück. Jeder Spieler hält sich genau an die Tradition und spielt dennoch anders, da er ein anderer Mensch ist.
In der Tradition der Shakuhachi wird dem Aspekt des Sich-Übens am Instrument schon von Anfang an sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der Spieler übt sich selbst, um durchlässig zu werden für die Musik. Die Stücke sollen so gut gearbeitet sein, dass er sich selbst nicht mehr im Wege steht, indem er darüber nachdenken muss, wie etwas zu spielen sei.
Es entsteht ein weiteres Paradoxon: Der Spieler ist sich jeder Feinheit des Tuns bewusst und muss es gleichzeitig nicht mehr bewusst tun. Oder anders gesagt: Die Stücke sind so lange zu üben, bis sie sich von selbst spielen. Was sie nur selten tun. Dies ist aber nicht das Problem der Stücke, sondern des Spielers.
Im Jetzt sein
Die Musik der Shakuhachi ist eine sehr langsame gedehnte Melodie, die nie auseinander fällt, wenn auch lange Pausen zwischen den Tönen erklingen. Die einzelnen "Tonworte" wirken wie eigenständige Elemente, geformt durch eine Dramatik der Spannung und Entspannung. Die Langsamkeit fordert hohe Präsenz des Spielers, um in der Musik zu bleiben und nicht abzuschweifen. Die Musik ist mehr ein Zustand als ein Ablauf, eine Geschichte.
Das Wesentliche in jeder Musik kann eher gefühlt, gespürt oder noch genauer, kann nur hörend erfahren werden. Auch hier wieder ein scheinbares Paradoxon: Es geht nicht primär um ein Verstehen der Musik, obwohl ein Verstehen nötig ist, um die Musik ausführen zu können.
Absichtslos werden
Das Spiel der Shakuhachi verfolgt kein äusseres Ziel. Es geht nicht darum, ein guter Spieler zu werden oder Konzerte zu geben. Es ist genug, sich selbst wahr zu nehmen und sich hörend in den Klang und seine Veränderungen zu versenken.
Eine zentrale Übung ist das Spielen eines einzelnen Tones über längere Zeit. Immer mehr wird die Verbindung zwischen dem eigenen Tun und dem Zulassen bewusst. Der Klang ist wie ein Spiegel des Zustandes des Spielers.
Shakuhachi üben ist ein lebenslanger Weg. Nicht nur, weil es nicht eine richtige Art des Spielens eines Stückes gibt, die irgendwann einmal erreicht werden kann, sondern vor allem auch darum weil, wie bei jeder Form der Meditation jeder erreichte Zustand nicht von Dauer ist und daher immer wieder neu erfahren werden muss.
Diese Aspekte finden wir selbstverständlich in der westlichen Musikpraxis auch. Sie sind in der Ausbildung von Musikern vielleicht erst zu einem späteren Zeitpunkt Gegenstand des Unterrichtens und werden weniger explizit thematisiert und wenn, dann in einer anderen Sprache. Wir sprechen vielleicht von anzustrebender Stimmigkeit, oder davon, dass die Musik sich selbst spielt; dass wir im Dienste der Musik unsere Interpretationen gestalten wollen oder Ähnliches mehr.
3. Zusammenfassende Gedanken
Noch vor wenigen Jahrzehnten waren asiatische Musiker, die westliche Musik auf einem hohen Niveau interpretieren grosser Skepsis ausgesetzt. Konnten Menschen, welche in einem asiatischen Umfeld aufgewachsen sind wirklich die westliche Musik in ihren Dimensionen erfassen? Heute sind viele erfolgreiche Künstlerpersönlichkeiten im Westen bekannt. Westliche Musiker, welche sich den asiatischen Künsten nähern, begegnen der gleichen Skepsis, vor allem, wenn es sich um spezielle Traditionen, die auch im eigenen Land, hier zum Beispiel in Japan, nicht alltäglich gepflegt werden.
Wie am Anfang schon erwähnt meine ich, dass die Kultur, in der jemand geboren, aufgewachsen und auch ausgebildet wurde auf jeden Fall sehr prägend wirksam ist und die Sicht auf eine andere, fremde Kultur konstruiert. Am Anfang steht vielleicht die Faszination des Fremden, welche sich durch die lange Beschäftigung in eine Vertrautheit wandeln kann. Die anfänglich vielleicht naive und durch das offensichtlich Besondere angeregte Neugier verändert sich zu einem respektvollen differenzierten Staunen über die unergründliche Tiefen der Kunst. In dem Fremden findet sich aber auch immer etwas Eigenes, sonst würden keine Anknüpfungsmöglichkeiten gegeben sein. In der Shakuhachimusik war es in meinem Falle der Klang des Instrumentes, welcher etwas tief innen ins Mitschwingen brachte und die Möglichkeit, ein Instrument ohne eine festgelegte Zielsetzung zu erlernen und damit auf einen Weg zu gehen. Die fremde anfangs unverständliche Klangsprache wurde vertrauter und immer mehr wurden Verwandtschaften und Ähnlichkeiten mit der westlichen Musik erkennbar und damit wurden dann als Folge auch die Unterschiede deutlicher.
Der Einfluss einer anderen Kultur wiederum beeinflusst und weitet die Perspektive auf die ursprünglich eigene Kultur und es kommt im besten Falle zur einer kulturellen Interaktion zwischen westlicher und östlicher Flötenmusik.
Musik; Kyoku
1 alle Zitate aus; Hitori Kotoba von Hisamatsu Fûyô, ca. 1830. in: Gutzwiller. Die Shakuhachi der Kinko-Schule, Bärenreiter 1983, vergriffen)
2 Hitori Mondo von Hisamatsu Fûyô, 1823, in Gutzwiller